Bunt, frisch und nicht zu alkoholisch: Seit einigen Jahren ist der Spritz wieder der König der Cocktails in Italiens angesagten Bars – besonders am späten Nachmittag, zur Aperitif-Zeit. In Venetien hingegen war er schon immer ein Klassiker, schließlich wurde er dort zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfunden. Allerdings war er damals noch nicht so, wie wir ihn heute kennen. Prosecco, Bitter und Soda? Das ist nur seine jüngste Weiterentwicklung.
Spritz: ein (halb-)österreichischer Cocktail
Der Spritz hat eine recht alte Geschichte. Er entstand während der österreichischen Herrschaft über die Lombardei und Venetien Ende des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts, als die habsburgischen Soldaten die Weine der Region kennenlernten. Das Verhältnis begann jedoch nicht optimal: Die Weine waren ihnen zu stark. Um den Geschmack zu mildern, kam man auf die Idee, sie mit Sprudelwasser zu “verlängern”. So basiert der Spritz auf einer Praxis, die für echte Weinliebhaber fast sakrilegisch erscheint. Der Name leitet sich vom deutschen Verb spritzen ab, was “spritzen” oder “besprühen” bedeutet. Der ursprüngliche Spritz bestand aus Weißwein und Sprudelwasser – das war das österreichisch-ungarische Modell. Und Achtung: In einigen Regionen Friaul-Julisch Venetiens bekommt man immer noch diese Version, wenn man einen Spritz bestellt.
Eine erste Weiterentwicklung gab es Anfang des 20. Jahrhunderts, als Seltzer-Siphons aufkamen, die eine Alternative zum klassischen Sprudelwasser boten. Doch der Spritz, wie wir ihn heute kennen, wurde erst in den 1920er-Jahren geboren, als man begann, die Mischung mit etwas Bitter zu “färben”.
Ein Cocktail, tausend Varianten
Kaum war der Bitter hinzugefügt, entstanden sofort zwei Varianten: In Padua wurde Aperol verwendet, während in Venedig der lokale Select-Bitter von den Brüdern Pilla zum Einsatz kam. Während Select bis heute typisch venezianisch bleibt, verbreitete sich die Aperol-Variante in den 1970er-Jahren in ganz Norditalien und erlangte schließlich weltweiten Erfolg. Heute ist sie unter dem Namen “Venezianischer Spritz” in der Liste der IBA (International Bartenders Association) aufgeführt.
Doch jede Stadt in der Region Triveneto beansprucht kleine, aber feine Unterschiede in der Rezeptur für sich: In Padua verwendet man spritzigen Weißwein, in Treviso Prosecco, in Venedig dagegen stillen Weißwein, während in Udine der Tocai Friulano obligatorisch ist. Auch in der Farbgebung gibt es Varianten: Neben der bekannten Version mit Campari statt Aperol gibt es dunklere Alternativen mit Amari wie China Martini oder Cynar, die den Bitter würdig ersetzen.
Das Rezept, die Rezepte
Um in diesem Chaos etwas Ordnung zu schaffen, hier die beiden gängigsten Spritz-Rezepte:
Venezianisches Spritz-Rezept
• 1/3 spritziger Weißwein
• 1/3 Bitter
• 1/3 Sprudelwasser
Offizielles IBA-Spritz-Rezept
• 6 cl Prosecco
• 4 cl Aperol
• Ein Spritzer Soda/Seltz
Zubereitung des Spritz
Wählen Sie das bevorzugte Rezept – die Zubereitung ist in beiden Fällen ähnlich:
Füllen Sie ein Weinglas oder ein Old-Fashioned-Glas mit Eiswürfeln. Geben Sie in dieser Reihenfolge Wein, Bitter und schließlich Wasser oder Seltz hinzu. Garnieren Sie den Drink mit einer Orangenscheibe.
Der Pirlo, der brescianische Klassiker
Andrea Pirlo, der italienische Weltmeister von 2006, stammt aus Flero bei Brescia. Doch der Pirlo-Cocktail, die brescianische Variante des Spritz, hat seinen Namen nicht von ihm. Der kultige Drink der Brescianer Partyszene unterscheidet sich vom venezianischen Spritz durch die Verwendung von stillem Weißwein und obligatorisch Campari. Die „Patrioten“ aus Brescia behaupten jedoch, dass der Pirlo eine eigenständige Geschichte habe: Angeblich wurde in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in den Gasthäusern der Stadt bereits Weißwein mit Wermut gemischt. Der Name leitet sich vermutlich vom Dialektwort pirlare („fallen und wieder aufsteigen“) ab, das die Bewegung beschreibt, die der Wermut macht, wenn er in den Weißwein gegossen wird.


